Am 19. März setzteich mich, wie 1000 andere, mehr oder weniger motivierte, Medizinstudierende den 85. Tag in Folge morgens an meinen Schreibtisch, um den Lernplan für das bevorstehende Staatsexamen im April 2020 zu bearbeiten. Es war der letzte „Lerntag“, die folgenden zwei Wochen sollten nur noch der Wiederholung und Bearbeitung von Probeexamina dienen. Bereits zu diesem Zeitpunkt waren gesellschaftliche Einschränkungen durch die Corona-Pandemie deutlich zu spüren. Kindergärten und Schulen waren geschlossen, Restaurantbesuche nicht mehr denkbar. Aber da ich sowieso die letzten 3 Monate täglich an meinem Schreibtisch verbracht hatte, merkte ich von den Veränderungen nicht viel. Doch im Laufe dieses Tages sollte sich das schlagartig ändern.
„Hammerexamen für tausende Medizinstudenten“ lautete die Schlagzeile, die nachmittags vom Ärzteblatt veröffentlicht wurde. Dieser Artikel sollte nichts Gutes mit sich bringen.
Staatsexamen im Medizinstudium
Aktuell gibt es im Medizinstudium drei Staatsexamina, die in der Approbationsordnung festgelegt sind: Das erste schriftliche Examen nach zwei Jahren, das zweite schriftliche Examen nach 5 Jahren und das dritte, mündliche Examen nach 6 Jahren, im Anschluss an das praktische Jahr.
Das „Hammerexamen“, wie vom Ärzteblatt angekündigt, sieht das zweite und dritte Staatsexamen innerhalb weniger Wochen nach Ende des praktischen Jahrs vor. Nach mehreren gescheiterten Anrufen beim Landesprüfungsamt kam endlich eine offizielle Stellungnahme zu den Gerüchten um das zweite Staatsexamen, für das wir alle schon seit mehreren Monaten lernten: Ob eine Durchführung möglich ist oder wie es für uns weitergehen wird, kann uns leider nur durch das Bundesgesundheitsministerium mitgeteilt werden, aber es könne nicht an die Durchführung eines Examens gedacht werden.
Mitarbeit auf der Intensivstation statt Lernen
Nach dieser Nachricht war für mich kein konzentriertes Lernen mehr möglich, stattdessen aktualisierte ich die Seite des Bundesgesundheitsministeriums sekündlich. Doch in den nächsten zwei Wochen bekamen wir keine klaren Aussagen: Durchführung wie geplant, Verschiebung, Absage. Ständig neue Gerüchte prägten meine Lernphase. Um die Zeit sinnvoll nutzen zu können, meldete ich mich als freiwillige Helferin, um die Intensivstation in Mannheim unterstützen zu können.
Am 30 März bekamen wir endlich die offizielle bundesweite Meldung: Das Examen ist abgesagt, außer das Bundesland selbst möchte es trotz der Pandemielage durchführen. Nachdem die ersten Bundesländer das Stattfinden des Examens bereits bestätigt hatten, kam am 01. April die Stellungnahme von Baden-Württemberg: In diesem Bundesland wird kein Staatsexamen stattfinden. Am Ende entschieden sich lediglich Bayern und Baden-Württemberg gegen das Examen. Alle anderen Medizinstudierenden durften nach der wochenlangen Ungewissheit doch noch ihr Examen schreiben. Wie es bei uns nun weitergeht, kann niemand vorhersagen.
Wie ich die Arbeit im Krankenhaus erlebe
Seit März arbeite ich fast in Vollzeit auf der Covid-19 Station, um die Versorgung der Patient*innen zu gewährleisten. Insbesondere durch die strenge Isolation der Patient*innen kommt es zu einem deutlichen Mehraufwand in der Pflege. Unter anderem konnte ich den Pflegekräften durch Blutabnahmen, Hilfestellungen bei der Lagerung der Patient*innen oder auch dem Richten von Medikamenten bei ihrer Arbeit helfen. Ebenso konnte ich im Rahmen dieses Einsatzes ärztliches Personal durch Tätigkeiten, wie beispielsweise ein EKG zu schreiben oder Blutkulturen abzunehmen, unterstützen. Die Genesung vieler Patient*innen hat den Ärger über das verschobene Examen vergessen lassen und trotz all der Umstände sowie der unklaren Zukunft konnte ich somit meinen Teil zur Bewältigung der Pandemielage leisten, sodass ich durchaus zufrieden auf die Zeit zurückblicke.
Alina Hügel